Medizinische Fasern aus Milchsäure
27.01.2023 Produktion der Zukunft News

Medizinische Fasern aus Milchsäure

Technische Fasern machen die Seile von Kinderschaukeln sicher oder sind bei medizinischen Operationen unverzichtbar. Der Grundstoff für diese Fasern sind häufig auf Erdölbasis hergestellte Polymere. In Anbetracht der begrenzten Verfügbarkeit fossiler Rohstoffe und der Kunststoffproblematik forschte Boris Marx vom Faserinstitut Bremen nach Alternativen mit Biopolymeren. Dabei habe er einen PLA-Blend hergestellt, der die Entwicklung solcher Garne mit höheren Festig- und Steifigkeiten und die Substitution herkömmlicher Kunststoffe ermögliche.

Dr. Boris Marx bei der Herstellung von PLA-Blend mit Stereokomplex-Kristallstruktur, © Faserinstitut Bremen e.V.

Biopolymere wie zum Beispiel Polylactid (PLA) bestehen aus biobasierten, nachwachsenden Rohstoffen und sind, im Gegensatz zu den üblichen Polymeren aus Erdöl, biologisch abbaubar. PLA wird durch chemische Synthese auf Milchsäurebasis hergestellt. Kommerziell verfügbares PLA wird zu Garnen, die derzeit zum Beispiel für Heimtextilen genutzt werden können, verarbeitet.

 

Im Rahmen des Projektes sei es Marx nun erstmals gelungen, ein PLA-Blend mit Stereokomplex-Kristallstruktur im Technikumsmaßstab herzustellen. „Dabei wurden zwei PLA-Ausgangsmaterialien im Compoundierprozess vermischt. Die Besonderheit liegt dabei in der Prozessführung bei der Temperatur. Das Ergebnis ist ein PLA-Blend in Pulverform mit Stereokomplex-Kristallstruktur“, erklärt Marx.

 

Die einfache Überführung in den Industriemaßstab erlaubt eine ausreichende Materialverfügbarkeit. Dadurch wurde das Potenzial geschaffen, technisch industrielle PLA-Garne mit erhöhten Festigkeiten zu entwickeln. Damit können die Einsatzgebiete dieser biotechnologischen Fasern deutlich ausgeweitet, herkömmliche Kunststoffe weiter ersetzt sowie Ressourcen und Umwelt entsprechend geschont werden.

 

Breite Anwendung von Medizintechnik bis Luft- und Raumfahrt

„Für die Medizintechnik und speziell für uns als Entwickler und Produzent von innovativen textilen Implantaten sind die im Projekt erzielten Forschungsergebnisse von hoher Bedeutung.“, beschreibt Sven Orberhoffner von ITVP Denkendorf die mittelständischen Interessen des Projektergebnisses. Bislang gebe es auf dem Markt keine Produkte auf PLA-Basis in stereokomplexer Form. Der jetzt verfügbare Blend ermögliche die Entwicklung neuer und innovativer Produkte wie zum Beispiel verbesserte Osteosyntheseplatten zur Behandlung von Frakturen.

 

Laut Axel S. Herrmann, dem Institutsleiter des Faserinstituts Bremen, ist das Ergebnis des Projektes ein innovativer, sehr nachhaltiger Werkstoff, der für Hochtechnologiebranchen wie die Luft- und Raumfahrtechnik, die Medizintechnik oder für den Automobilbau vorgesehen ist. „Da der Werkstoff auf einer industrienahen Technikumsanlage entwickelt worden ist, sind die Parameter, die erforscht wurden, sehr leicht in die Industrie übertragbar. Das geschieht derzeit mit dem Projektbegleitenden Ausschuss gemeinsam mit kleinen und mittelständischen Unternehmen und der Forschungsvereinigung WNR“, so Herrmann.