Formänderung auf Knopfdruck
04.01.2023 Transformation News

Formänderung auf Knopfdruck

Programmierbare Materialien ändern auf Knopfdruck kontrolliert und reversibel ihre Eigenschaften. Sie passen sich selbstständig an neue Gegebenheiten an. Einsatzbereiche sind beispielsweise Matratzen, die das Wundliegen verhindern. Dabei verformt sich die Unterlage so, dass die Auflagefläche groß ist und sich der Druck auf die Körperteile dadurch verringert. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer Cluster of Excellence Programmierbare Materialien CPM entwickeln solche Materialien.

Demonstration einer Änderung durch Strukturierung einer Folie © Fraunhofer ICT

Zahlreiche Menschen weltweit sind von Bettlägerigkeit betroffen – sei es durch Krankheit, Unfall oder Alter. Da sie sich oftmals nicht von allein bewegen oder drehen können, kann es zu einem sehr schmerzhaften Wundliegen kommen. Mit Materialien, deren Form und mechanische Eigenschaften sich an jeder Stelle programmierbar ändern lassen, soll das Wundliegen künftig vermieden werden. Beispielsweise könnte die Härte und Steifigkeit von Matratzen, die aus programmierbaren Materialien hergestellt wurden, in jedem beliebigen Bereich per Knopfdruck eingestellt werden. Darüber hinaus verformt sich die Unterlage selbstständig so, dass ein hoher Druck an einer Stelle auf eine größere Fläche verteilt wird. Das Bett wird dort, wo es drückt, automatisch weicher und elastischer. Zusätzlich können Pflegekräfte gezielt ein ergonomisches Liegen patientenspezifisch einstellen.

 

Material plus Mikrostrukturierung

Materialien für Anwendungen, die eine gezielte Änderung der Steifigkeit oder Form benötigen, entwickeln Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer CPM. Doch wie lassen sich Materialien überhaupt programmieren? „Wir haben grundsätzlich zwei Stellschrauben: Das Grundmaterial – im Falle der Matratzen thermoplastische Kunststoffe, für andere Anwendungen metallische Legierungen, auch Formgedächtnislegierungen – und insbesondere die Mikrostruktur“, erläutert Heiko Andrä, vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM, einem der Kerninstitute des Fraunhofer CPM. „Die Mikrostruktur der sogenannten Metamaterialien setzt sich aus einzelnen Zellen zusammen, die wiederum aus Strukturelementen wie kleinen Balken und dünnen Schalen bestehen.“ Während die Größe der einzelnen Zellen und ihrer Strukturelemente bei herkömmlichen zellulären Materialien wie Schäumen zufällig variiere, sei sie bei den programmierbaren Materialien zwar auch variabel, jedoch genau festgelegt – sprich programmiert. Diese Programmierung erfolge beispielsweise so, dass Druck an einer bestimmten Position zu gewünschten Formänderungen an anderen Stellen der Matratze führe, um etwa die Auflagefläche zu vergrößern und die Körperzonen optimal zu stützen.

 

Materialien können auch auf Wärme oder Feuchte reagieren

„Die programmierbaren Materialien ermöglichen es, Gegenstände an die jeweilige Anwendung oder Person anzupassen und die Dinge somit multifunktionaler zu nutzen als bisher. Sie müssen also nicht so oft ausgetauscht werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des Ressourcenverbrauchs ist das interessant“, sagt Franziska Wenz, vom Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, ebenfalls eines der Kerninstitute des Fraunhofer CPM.

 

Der Weg in die Anwendung

Ein einzelnes Material kann komplette Systeme aus Sensoren, Reglern und Aktuatoren ersetzen. Das Ziel des Fraunhofer CPM ist durch Integration der Funktionen in das Material die Komplexität von Systemen zu senken und den Einsatz von Ressourcen zu reduzieren. „Wir haben bei der Entwicklung der programmierbaren Materialien stets das industrielle Produkt mit im Blick, so berücksichtigen wir unter anderem die Serienfertigung und die Materialermüdung“, sagt Wenz. Auch laufen bereits erste konkrete Pilotprojekte mit Industriepartnern.